Weißblau flatterten die bayerischen Rauten hoch über der Kommandobrücke im Wind, gleich daneben grüßten Auerbachs Stadtfarben Grün-Weiß. Die Matrosen hatten am Marinestützpunkt Olpenitz Festbeflaggung angebracht, um eine Abordnung aus der Patenstadt zu würdigen. Die Auerbacher waren nicht mit leeren Händen angereist. Sie überreichten die „Neptun“ in Öl auf einem blankgehobelten Fichtenbrett mit dem Wahrzeichen der Stadt Auerbach, dem Rathaus und der Pfarrkirche und einem Erinnerungsbild der Knabenkapelle. Die Knabenkapelle sorgte für die rechte Stimmung an Deck.
Hobbymaler Max Riedhammer fertigte das Mitbringsel der Knabenkapelle.
Festlich und in vorweihnachtlicher Stimmung verlief die Weihnachtsfeier der Knabenkapelle im Kolpinghaus. Es war zugleich der Abschluss eines für die meisten Musiker unvergesslichen Jahres, dessen Höhepunkt die USA-Reise im August war. Für jeden Musiker gab es ein Fotoalbum, um die vielen Erinnerungsbilder vom Besuch der „Neuen Welt“ unterzubringen. Mit dem Festmarsch „Tochter Zion“ eröffnete die Knabenkapelle unter Leitung von Ludwig Riedhammer jun. die Feier. Auch die 20 Nachwuchstalente, mit denen Kapellmeister Ludwig Riedhammer sen. fünf bekannte Weisen einstudiert hatte, konnten überzeugen.
Auszeichnungen und Geschenke wurden bei der Weihnachtsfeier der Knabenkapelle verteilt.
Am Faschingssonntag des Jahres 1989 säumten 80.000 Menschen die Straßen der Nürnberger Innenstadt, um den Höhepunkt des fränkischen Narrentreibens, den Faschingszug, mitzuerleben. Die Knabenkapelle kam als erste der 90 Gruppen und heizte die Stimmung an. Das 8-Uhr-Blatt schrieb: „Im Mittelpunkt des närrischen Treibens standen die Auerbacher Knabenkapelle und die Gruppe „Schweizer Guggemuusig“.
Unter dem Motto „Jugend musiziert und tanzt“ fand Anfang April 1989 auf dem Dultplatz in Sulzbach-Rosenberg ein volkstümlicher Abend mit Kindern und Jugendlichen der Trachtenvereine des Landkreises statt. Nach der Begrüßung durch Kreisjugendpfleger Hans Huber eröffnete die Auerbacher Knabenkapelle den Musikreigen. „Eine Stunde lang zeigten die Mädchen und Buben ihr Können. Ihr Repertoire reichte von Glenn Miller bis hin zu den modernen Hits“, hieß es in der Tagespresse.
Auch das zweite Frühjahrskonzert im Auerbacher Kolpingsaal war ein voller Erfolg. Ein Pressekommentar lautete: „Was die jungen Musiker mit ihrem Dirigenten Ludwig Riedhammer jun. zu Gehör brachten, riss die circa 300 Anwesenden zu Beifallsstürmen hin. Die Knabenkapelle ist ein Klangkörper mit ausgezeichneten Solisten und einem großen Repertoire.“ Als Virtuose seines Faches präsentierte sich an diesem Abend Markus Toesko mit „Trompeters Wiegenlied“.
Am Pfingstwochenende folgte die Knabenkapelle einer Einladung der Jugendblaskapelle Ternitz-Pottschach, die im Sommer 1986 ein Wochenende in der Bergstadt verbracht hatte. Sie wurde vom Bürgermeister und von den Musikern mit allen gastgebenden Eltern herzlich empfangen. Am Sonntag fuhr man nach Wien. Auf dem Programm standen Stadtrundfahrt, Stephansdom, Barockschloss Belvedere, das „Hundertwasserhaus“ und der Prater. Am Pfingstmontag war nachmittags ein Gemeinschaftskonzert der beiden Musikkapellen angesagt.
Gemeinsamer Abschluss der beiden Orchester
Die 675-Jahrfeier der Stadt Auerbach mit dem reichhaltigen Rahmenprogramm brachte auch für die Knabenkapelle zahlreiche Einsätze:
Freitag, 2. Juni
17:30 Uhr Standkonzert auf dem Marktplatz
Musikalisches Rahmenprogramm bei der Enthüllung der „Prof. Dr.-Heinrich-Stromer-Büste“
Samstag, 3. Juni
17:30 Uhr 40-jähriges Gründungsfest des Heimat- und Volkstrachtenvereins
Auerbach (Patenverein der Knabenkapelle)Standkonzert auf dem Marktplatz,
anschließend Totenehrung und FestkommersSonntag, 4. Juni
09:00 Uhr Musikalische Gestaltung des Festgottesdienstes,
anschließend Unterhaltungsmusik beim Frühschoppen13:30 Uhr Festzug durch die Stadt
Donnerstag, 8. Juni
17:00 Uhr Zeltbetrieb mit der Auerbacher Knabenkapelle
Sonntag, 11. Juni
09:00 Uhr Gestaltung des Festgottesdienstes
10:30 Uhr Musikalischer Frühschoppen im Festzelt
13:30 Uhr Teilnahme am großen Festzug,
anschließend Zeltbetrieb mit der Knabenkapelle
Patenverein (Trachtenverein) und Patenkind (Knabenkapelle) beschenkten sich gegenseitig.
Beim Bürgerfest am 15./16. Juli hatte die Neptun-Mannschaft Auerbach besucht und als Geschenk eine 400 Kilogramm schwere Boje mitgebracht. An die Knabenkapelle überreichte Kapitänleutnant Bernd Füser ein Bullauge mit einem Bild der Neptun. Zugleich lud er die Musiker ein, eine letzte Fahrt mit dem Minensuchboot mitzumachen, bevor es außer Dienst gestellt wurde.
Ende August ging es an einem Samstag kurz nach Mitternacht los in den hohen Norden. Noch am Begrüßungsabend wurde Kapitänleutnant Bernd Füser zum Ehrenmitglied der Auerbacher Knabenkapelle ernannt und erhielt vom Vorsitzenden eine Ernennungsurkunde für seine Verdienste um die Patenschaft.
Die letzte Fahrt mit der Neptun am nächsten Tag war auch die aufregendste. Vorsitzender Josef Merkl schilderte dies in seinem Bericht: „In kürzester Zeit hatte sich der Wind verstärkt, die Wellen stiegen bis drei Meter hoch, das 46 Meter lange Minensuchboot war den Naturgewalten ausgeliefert. Der Bug des Schiffes ragte für Augenblicke aus dem Wasser, dann tauchte er ab, und eine weiße, brandende Gischt fegte über das Boot, so dass wir auf der Kommandobrücke die Köpfe einzogen. Schlag auf Schlag hob und senkte sich der Bug.“
Das geplante Konzert der Knabenkapelle fiel natürlich buchstäblich ins Wasser. Statt zur Tuba griffen die Musiker zur Tüte. Zurück im Kieler Marinehafen verließen sie bei orkanartigen Windböen das Schiff, bestiegen den Bus und fuhren durchnässt zur Kaserne. Erst am Abfahrtstag kam die Sonne wieder heraus, so dass die Knabenkapelle doch noch schnell ein Ständchen an Bord der Neptun bringen konnte.
Kommandant Bernd Füser dirigierte auf dem Patenboot Neptun den Bayerischen Defiliermarsch.
Im Oktober 1989 übertrug man Josef Merkl bei der Jahreshauptversammlung wieder einstimmig die Führung der Knabenkapelle. Zu diesem Zeitpunkt gehörten 72 aktive Mitglieder zum Klangkörper. „Gemeinsam anpacken und zusammenhalten“ lautete die Devise des Vorsitzenden.
Auch in den letzten Monaten des Jahres 1989 kamen auf die Musiker zahlreiche Auftritte zu: Auf der Landesgartenschau in Straubing gab die Knabenkapelle ein zweistündiges Konzert im Zelt. Als Stargast dirigierte auch die Holledauer Hopfenkönigin. Beim Bürgerfest in Gräfenberg marschierten und musizierten die jungen Musiker im historischen Festzug mit. Ein besonderes Erlebnis war wieder die aktive Teilnahme am Oktoberfest Trachten- und Schützenzug in München. Weitere Einsätze hatte die Knabenkapelle u. a. noch beim Adventsmarkt und anlässlich eines Aufenthalts der Neptun-Abordnung in der Bergstadt vom 15. bis 18.12.89 zu absolvieren.
Mit Recht konnte Bürgermeister Hanni Haberberger den Mädchen und Buben bei der Weihnachtsfeier danken, weil sie „überall dort, wo sie auftreten, echte Begeisterungsstürme auslösen und damit Ehre für die Stadt einlegen“.
Beim Oktoberfest Trachten- und Schützenzug 1989
Am 3. Januar 1990 starb Emil Kreuzer, der langjährige Bürgermeister , Stadt- und Kreisrat und Gründer der Knabenkapelle. Mit ihm verlor die Stadt eine ihrer bedeutendsten Persönlichkeiten der Nachkriegszeit. Am 15. Mai 1921 in Regen im Bayerischen Wald geboren, machte er sich im Februar 1956 in Auerbach als Kinobesitzer am Grünhof sesshaft und war bald aus dem öffentlichen Leben der Bergstadt nicht mehr wegzudenken.
Die Knabenkapelle würdigte ihren Gründer durch folgenden Nachruf: „Schon als er im Gründungsjahr 1960 zum 1. Vorsitzenden der Knabenkapelle gewählt wurde, zeigte sich sein weitblickendes Organisationstalent und sein feinsinniges Gespür im Umgang mit den jungen Musikern.
Sein Kameradschaftsgeist, sein unbeirrbarer Wille und sein unerschütterlicher Humor waren stets gutes Beispiel und auch gleichzeitig Garanten des unaufhaltsamen Erfolges der Knabenkapelle. Unter seiner Leitung machten sich die jungen Burschen aus Auerbach bald einen guten Namen weit über die Grenzen der Heimat hinaus.“
Emil Kreuzer schaffte es in kurzer Zeit, weitreichende Verbindungen zu knüpfen und wurde nicht ohne Grund als Vater der Patenschaft mit dem schnellen Minensuchboot „Neptun“ bezeichnet. Im Oktober 1983 legte er nach nahezu 24-jähriger Tätigkeit sein Amt als 1. Vorsitzender nieder und wurde noch im selben Jahr wegen seiner großen Verdienste zum Ehrenvorsitzenden der Knabenkapelle ernannt.
Ehrenvorsitzender Emil Kreuzer
Wie in den vorausgegangenen Jahren waren auch 1990 die ersten öffentlichen Auftritte bei Faschingszügen in Sulzbach-Rosenberg und in Nürnberg. Am Samstag, dem 30. April, erinnerte die Knabenkapelle mit einem Frühjahrskonzert im Kolpingsaal an ihren 30. Geburtstag. „30 Jahre musizieren, 30 Jahre als Botschafter der Bergstadt unterwegs zu sein, das sind Gründe, diesen Geburtstag zu feiern“, sagte Josef Merkl bei der Begrüßung. Der Vorsitzende erinnerte an die Männer der Gründerzeit und an herausragende Ereignisse in der Vereinsgeschichte. Dank galt auch den Musikern aus der Anfangszeit, die beim Frühjahrskonzert in Erscheinung traten. Mit dem Bundesabzeichen in Silber erfuhr Ludwig Riedhammer jun. eine besondere Auszeichnung durch den Nordbayerischen Musikbund. Auch sein Vater wurde durch die Ernennung zum Ehrendirigenten für seinen ständigen Einsatz geehrt.
In der Besetzung wie zur Gründerzeit vor 30 Jahren spielten „Ehemalige“ auf.
Am 20. Mai 1990 beteiligte sich die Auerbacher Knabenkapelle am Bundesbezirksmusikfest des Nordbayerischen Musikbundes in Herzogenaurach. Es galt, zwei Ouvertüren absolut fehlerfrei darzubieten, zuerst das Pflichtstück „Yellowstone“, dann das Wahlstück „Laetitia“. Mit präziser Genauigkeit nahmen alle Musiker gleichzeitig ihr Instrument an den Mund. Sie rissen sich mächtig zusammen und spielten beide Stücke mit einer Perfektion, wie dies vorher kaum zu hören war. Ihr Einsatz wurde belohnt, denn sie erhielten in der Mittelstufe die Bewertung „Erster Rang mit Auszeichnung“. Dies ist der höchste Rang, den man erreichen kann.
In den folgenden Wochen hatten die jungen Musiker ein umfangreiches Programm zu absolvieren:
13. Mai: Zweistündiges Konzert bei der Landesgartenschau in Würzburg
20. Mai: Gestaltung eines feierlichen Gottesdienstes bei Pfarrer
Hans Eisend in Adelsdorf bei Erlangen27. Mai: Teilnahme am Festzug anlässlich des 100-jährigen Jubiläums
des Bergknappenvereins Auerbach3. Juni: 100 Jahre Schützenverein 1890 e.V. Auerbach i.d.OPf.,
Gestaltung des Gottesdienstes in der Stadtpfarrkirche
und des Frühschoppens im Festzelt10. Juni: 25-Jahrfeier des Königsteiner Trachtenvereins „D’Ossinger“
mit Gottesdienstgestaltung auf dem Breitenstein
14. Juni: Musikalische Umrahmung der Fronleichnamsprozession in Michelfeld
15. Juli: 125 Jahre Freiwillige Feuerwehr Michelfeld,
Gestaltung des Festgottesdienstes und des Frühschoppens,
Teilnahme am Festzug, danach Unterhaltungsmusik
20.-22. Juli: Besuch des Fanfarenorchesters aus Leipzig
Gemeinschaftskonzert der Knabenkapelle Auerbach und des Leipziger Fanfarenorchesters
Am 23. August 1990 schlug Elly Haberberger, die Gattin des Stadtoberhauptes, die Sektflasche beherzt gegen die Bordwand und taufte so das neue Patenboot unserer Bergstadt auf den Namen „Auerbach/OPF“. Bürgermeister Hanni Haberberger erinnerte an die 27-jährige Patenschaft mit dem Vorgänger „Neptun“, mit deren Besatzung die Stadt und die Knabenkapelle Freundschaft verbindet. Josef Merkl versprach, dass die Knabenkapelle, mit 14 Musikern ebenfalls dabei, auch weiterhin die Patenschaft mittragen werde. Der Vorsitzende und Kapitänleutnant Udo Bünte unterzeichneten die neue Urkunde.
Am 7. Mai 1991 erfolgte schließlich die Indienststellung des Schnellen Minensuchbootes 343 „Auerbach/OPF“. Bepackt mit einer bayerischen Brotzeit und einem Fass Bier „enterten“ die Auerbacher Stadträte und die Knabenkapelle ihr Patenboot. Vorsitzender Josef Merkl sagte in seiner launigen Rede: „Die Besatzungen haben gewechselt, auch die Musiker in den Reihen der Knabenkapelle, aber die Freundschaft zwischen uns Landratten und den blauen Jungs blieb bestehen“.